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»Holzklassenversorgung« als Bumerang für Patienten

Reformvorschläge zur Notfallversorgung an Kliniken werden zum Bumerang / Niedergelassene als zwangsverpflichtete Dienstärzte

Die Vorschläge der Regierungskommission zur Notfallversorgung werden laut Einschätzung des Bayerischen Facharztverbandes zum „Vertragsarzttätigkeitsaufgabegesetz“. Die Gesetzesvorlage bildet nach Ansicht des Verbandes eine klare Verschlechterung der ambulanten haus- und fachärztlichen Versorgung.

Die Vorschläge der Regierungskommission zur Notfallreform, der neben Kliniklobbyisten kein Vertreter der niedergelassenen Ärzte angehörte, liegen auf dem Tisch. So sollten künftig niedergelassene Allgemeinmediziner/Internisten mit jeweils einem Chirurgen in Bereitschaftspraxen der sog. Notfallstufe 3 Kliniken (160 in Deutschland) rund um die Uhr, d.h. 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche zum Dienst verpflichtet werden. Für die sog. Notfallstufe-Zwei--Kliniken, wovon es in Deutschland ca. 260 geben wird, empfiehlt die Kommission eine Besetzung der Bereitschaftspraxis von Montag bis Freitag von 14 bis 22 Uhr sowie von 9 bis 21 Uhr an Wochenenden und Feiertagen. Darüber hinaus sollen, wo regional erforderlich, auch an Kliniken der Notfallstufe 1 Bereitschaftspraxen oder Medizinische Versorgungszentren (MVZ) im 24/7-Betrieb eingerichtet und von den Niedergelassenen besetzt werden. Zusätzlich empfiehlt die Kommission, den fahrenden ärztlichen Bereitschaftsdienst auch zu Praxisöffnungszeiten, also rund um die Uhr, anzubieten. Damit wird ein Großteil der Ärzte ihre Praxen verlassen müssen, um die Dienste in den Klinikpraxen oder dem Fahrdienst abzuleisten. Damit werden wichtige Behandlungen in den Praxen nicht mehr oder nur noch reduziert angeboten werden können, da die Effizienz in der eigenen Praxis in diesen Klinikbereitschaftspraxen bei weitem nicht erreicht werden kann.

„Ärztlicher Bereitschafts-Muli“

„Dieses völlig realitätsferne Vorschlagspaket ist das Resultat einer von Gesundheitsminister Lauterbach handverlesenen Regierungskommission, die mit Kliniklobbyisten und ohne Beteiligung Niedergelassener bewusst so besetzt wurde. Sie diente dazu, die überflüssigen und maroden Kliniken mit Hilfe der niedergelassenen Bereitschaftsärzte-Mulis über den ungebremsten Weg in die ambulante Medizin zu sanieren,“ warnt Dr. Wolfgang Bärtl, Vorsitzender des Bayerischen Facharztverbandes (BFAV). Dabei darf sich der Minister wohl der breiten Unterstützung der Lokalpolitik sicher sein, in deren Verantwortungsbereich ein Großteil dieser Sanierungsobjekte fallen. Es sei so Bärtl deshalb „nicht verwunderlich, wenn viele Niedergelassene, die sich ja bewusst gegen das Angestelltendasein in den Kliniken und für eine Selbstständigkeit in eigener Praxis entschieden haben bei dieser drohenden Zwangsverpflichtung für den vorzeitigen Ausstieg aus diesem System entscheiden werden und keinen Praxis-Nachfolger finden.“ Die verschärfte Zweiklassenmedizin mit „Holzklassenversorgung“ in den Bereitschaftspraxen an den Kliniken und einer individuellen, patientenzentrierten, ganzheitlichen und modernen medizinischen Versorgung in Privatpraxen werde die Folge sein.