FACHÄRZTLICHE VERSORGUNG – »Wegweisende Wahltarife«
BFAV und IKK-Die Innovationskasse ein Modell mit Zukunft!
Der BFAV will künftig die „fachärztliche Versorgung im ländlichen Raum“ in enger Zusammenarbeit mit der IKK-Die Innovationskasse wesentlich verbessern. Lange Wartezeiten und bürokratische Hemmnisse für die Patienten wollen die niedergelassenen Fachärzte in ihren Praxen mittels direkten Zuganges abbauen. Die Facharztpraxen sollen dafür mit einem ausreichendem Honorar abgesichert werden.
Finanziert wird der Systemumbau nach dem Willen der Vertragspartner durch eine freiwillige Zusatzversicherung über Wahltarife mit Kostenerstattung. Geplanter Starttermin ist der 01.01.2025. Die GOÄneu dagegen wird als Affront gegen die Freiberuflichkeit und schädlich für die Patienten abgelehnt. Der Datenschutz bleibt im Fokus des Verbandes.
Schon der Titel „Ärztliche Versorgung im ländlichen Raum“ zeigt wohin die Reise für die niedergelassenen Fachärzte künftig hingehen soll. So setzten sich der BFAV anlässlich seines 10. Bayerischen Facharzttages in Regensburg mit der aktuellen Gesundheitspolitik und deren Auswirkungen auf die niedergelassenen Fachärzte auseinander. Der Saal im Jahnstadion Regensburg war bis auf den letzten Platz besetzt. Nach der Begrüßung durch Dr. Klaus Holler, HNO-Arzt und BFAV-Vorstandssprecher, der auch durch das Programm führte, startete die Tagung mit dem „Tanz um das goldene Kalb“, einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Dauerthema Digitalisierung, das den Praxen große Sorgen bereitet. Prof. Dr. Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), hinterfragte den Hype um die Digitalisierung und deren bürokratische Auswüchse und diskutierte mit Dr. Andreas Meißner, Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie die Digitalisierungsmaßnahmen des Gesundheitsministers, insbesondere zur elektronischen Patientenakte (ePA). Dr. Gernot Petzold, der als KI-Experte und BFAV-Vorstandsmitglied die anschließende Diskussion begleitete, sieht die ärztliche Schweigepflicht durch Industrieinteressen und Angriffe auf zentrale Speicher gefährdet.
Daten und Zahlen
Prof. Thomas Drabinski analysierte als Experte für Management im Gesundheitswesen die wirtschaftlich angespannte Lage der ambulanten fachärztlichen Versorgung und zeigt Überlebensstrategien auf. Seine aktuellen Beobachtungen werfen ein Schlaglicht auf ein „kaputtes System mit langen Wartezeiten, frustrierten Patienten, unzufriedenen Fachärzten“. Als Ursachen analysiert Drabinski „Budgets, das KV-System, und den Konflikt zwischen Haus- und Fachärzten“ garniert von einer „maroden Finanzierungsarchitektur“ im Gesundheitssystem. Namentlich benennt er den Gesundheitsfonds. Dieser erzeuge „nicht zeitgemäße und nicht auskömmlich kalkulierte Vergütungsstrukturen.“ Die Problemlösungsversuche der Politik liefen dazu konträr. Während BGM Karl Lauterbach nachdrücklich die Beseitigung der „doppelten Facharztschiene“ verfolge, will der BFAV für seine Mitglieder eine solide Honorierung erkämpfen und fordert den direkten Zugang der Patienten ohne Wartezeiten und Umwege. Die von Drabinski hierzu vorgelegten Zahlen sprechen für sich: So ist der finanzielle Fußabdruck den die niedergelassenen Fachärzte hinterlassen, entgegen vieler politisch geschürter Vorurteile im GKV-Schuldenturm, nur gering. Er beträgt für das Jahr 2023 umgerechnet ca. 31,5 Mrd. € KV-Honorar inklusive Kinderärzte & Internisten. 10 % der GKV-Ausgaben. Konkret wird jeder 10. GKV-Euro beim Vertragsfacharzt umgesetzt. Das ist der Preis für 430 Mio. Facharzt / Patienten-Kontakte (FPK) mit 61,9 Mio. Versicherten. Immerhin 83,4 % aller GKV-Versicherten. Auf das Kalenderjahr gerechnet sind das 6,9 Kontakte je GKV-Versicherte je Jahr was rechnerisch einem unbudgetierten Honoraranspruch von ca. 32,9 Mrd. € entspricht.
GOÄneu wird abgelehnt
Allein schon deshalb trifft die von der Bundesärztekammer am 12.09.2024 vorgelegte GOÄneu bei den Fachärzten auf Unverständnis und erntet Widerspruch bei den Teilnehmern des 10. Bayerischen Fachärztetages. Der Entwurf widerspricht – so der BFAV-Vorstand-Sprecher Dr. Klaus Holler – den Kernmerkmalen einer Gebührenordnung für freie Berufe. Mit einer Resolution will der BFAV mit Unterstützung möglichst vieler Kollegen dagegenhalten. Zum einen müsse die Möglichkeit von individuellen Steigerungsfaktoren „als conditio sine qua non“ beibehalten werden. Steigerungsfaktoren würden individuelle, differenzierte Diagnostik- und Therapieerfordernisse des einzelnen Patienten und die besonderen Umstände bei der Leistungserbringung adäquat widerspiegeln. Weiter werden vom BFAV keine Preiskontingente oder budgetierte Preiskorridore in der GOÄ akzeptiert, die laut Gesetzesentwurf über den zugestandenen Steigerungskorridor hinaus nur kostenneutral erfolgen sollen. „Daraus resultiert de facto eine strikte Budgetierung, was die GOÄ zu einem Rabattleistungsverzeichnis vergleichbar dem EBM disqualifiziert,“ so die Resolution. Die aktuell vorgestellte GOÄneu berücksichtige in keiner Weise die Geldentwertung der vergangenen Jahrzehnte. Die Bepreisung vieler Leistungen sei unzureichend, auf EBM-Niveau und mit den betriebswirtschaftlichen Anforderungen einer heutigen fachärztlichen Praxis nicht vereinbar, so die Schlussfolgerung, verbunden mit dem Aufruf an die Kollegen sich der Resolution per Unterschrift anzuschließen.
Neue Perspektiven
Grund genug sich neue Wege aus der Misere zu suchen. Perspektiven wie Ralf Hermes, Vorstand der IKK – Die Innovationskasse sie aufzeigt. Er präsentiert am Fachärztetag Ansätze und Angebote für eine nachhaltige (privat-) fachärztliche Versorgung durch gesetzliche Krankenkassen. In der Einschätzung der aktuellen Lage geht Hermes mit den Fachärzten konform. Er sieht die „Bürokratie als Wurzel allen Übels“. Daraus folge ein Milliardendefizit trotz extrem hoher Beitragsätze. Er warnt die Fachärzte: „Lauterbach weiß wo er hin will: Zur Bürgerversicherung.“ Zahlungen aus dem Gesundheitsfonds seien rapide nach untern gefahren worden. Deshalb gebe es inzwischen „eine große Zahl vermögensloser Krankenkassen. Es bestehe in der Politik kein Interesse an einer Strukturreform. Der Gesundheitsfonds erweise sich hier als „größter Fehler im komplett staatlich gesteuerten System.“ Aufgrund der verheerenden Umfragewerte der SPD komme dort eine Eigenbeteiligung der Patienten oder Kürzung von Sozialleistungen nicht in Frage. Die CDU/CSU wolle zwar den Gesundheitsfonds „zurückbauen“, aber der IKK-Innovationskassen-Chef sieht die Politik in Berlin auf dem Weg zur Einheitskasse. „Da gebe es „keinen Wettbewerb, keine Kreativität. Wir dagegen wollen Geld aus dem Gesundheitsfonds rausziehen, ein Modell mit Wahlentscheidungsangebot, einer Kostenerstattung für die gesamte ambulante ärztliche Versorgung, verbunden mit mehreren Wahltarifen. Wie beim Zahnersatz so auch bei der fachärztlichen Versorgung mit Selbstbehalt,“ so das Versprechen des Kassenchefs. Er rechnet allerdings mit „Gegenwind“ aus dem BAS und von Seiten der KV.
Große Unterstützung
Für Holler stößt das Konzept bei den Facharztkollegen im BFAV auf „offene Ohren. Wir werden die Idee mit Klauen und Zähnen unterstützen.“ Drabinski schätzt die Umsetzungschancen für das Modell ebenfalls hoch ein, „weil die Probleme im GKV-System anders nicht mehr zu lösen sind.“ Der Genehmigungsprozess wird nach Einschätzung von Hermes zwar heikel, aber am Ende hofft er: „Es wird laufen.“ Dr. Wolfgang Bärtl spricht in diesem Zusammenhang von einem „Déjà-vu unseres Kernprojekts“ das der Bayerischer Facharztverband bereits vor zehn Jahren unter dem Namen „Gesundheitskonto Bayern“ an Krankenkassen herangetragen habe als eine „Patientenzentrierte Versorgung (PzV) mit Entscheidungsfreiheit der Patienten ohne Umweg über den Hausarzt.“ Klar ausgedrückt meint Bärtl: „Wir brauchen diese Patienten mit mehr Eigenverantwortung und damit auch Eigenbeteiligung, um wirtschaftlich arbeiten zu können und das System langfristig am Laufen zu erhalten. Ärzte sind Freiberufler!“ Der Gründer des BFAV hofft aufgrund seiner bisherigen Erfahrung nicht mit großer Unterstützung durch die Kassenärztliche Vereinigung. „Wir laufen hier vermutlich eher gegen eine Wand und brauchen deshalb umso mehr die Unterstützung der Kollegen.“ Hermes denkt hier an Unterstützung aus der bayerischen Politik.