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»Im Netz verheddert« – BFAV klagt / Spahn schweigt / NDR berichtet

Der Telematikskandal weitet sich aus. Die Daten der Patienten sind nicht ausreichend geschützt. Die Konnektoren sind leicht angreifbar. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gerät infolge Untätigkeit immer mehr in Bedrängnis. Seit Monaten läuft der bayerische Facharztverband Sturm gegen die Zwangsvernetzung der Arztpraxen. Nun greifen die Medien das Thema auf und der NDR berichtet über die gravierenden Sicherheitsprobleme der Telematik-Konnektoren.

„Spahn hat sich im Netz verheddert“, so beklagt die Regensburger Internistin Dr. Ilka Enger, Vorsitzende des Bayerischen Facharztverbandes (BFAV) die Probleme bei der Einführung der Telematik-Konnektoren in den Arztpraxen, die den Bundesgesundheitsminister offenbar immer stärker in Bedrängnis bringt. Jetzt trifft das Thema durch die Recherche der PANORAMA-Redaktion des NDR auf breite Medienresonanz. Damit habe sich die Arbeit des BFAV gelohnt: „Unser Musterwiderspruch gegen die zwangsweise Vernetzung der Arztpraxen und die damit verbundene Honorarkürzung steht schon seit Mai für betroffene Ärzte zur Verfügung“, freut sich Enger über die öffentliche Resonanz. Dabei gehe es den meisten Kollegen, die den Anschluss bisher trotz der angedrohten finanziellen Einbußen verweigern, um die Eingriffe ihrer Praxen und die damit verbundene Gefährdung des Patientengeheimnisses.

Spahn gibt Gas

„Kann der Patient nicht mehr auf die Verschwiegenheit des Arztes zählen, weil potentiell das gesamte Internet mithört, ist das Vertrauensverhältnis nachhaltig beschädigt“, äußert die BFAV-Sprecherin Unverständnis, “warum Gesundheitsminister Jens Spahn scheinbar alles dafür tut, den Datenschutz für sensible Patientendaten zu schleifen.“ Der Minister trete – obwohl er von den potentiellen und jetzt bestätigten Sicherheitslücken in der Gesundheitstelematik wisse, „unvermindert aufs Gas“. So wurde zuletzt im DVG der automatisierte Datenfluss der Abrechnungsdaten zu einer Sammelstelle in der Hand des GKV-Spitzenverbandes Bund im Bundesrat mit der Groko-Mehrheit einfach durchgewinkt.

„Dieses Gesetz ist in unseren Augen ein eklatanter Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der informationellen Selbstbestimmung der gesetzlich zwangsversicherten Bürger,“ erklärt Karl Ebertseder, Schriftführer des BFAV. „Wie der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wodarg sind wir der Meinung, dass Bundespräsident Steinmeier diesem Gesetz seine Unterschrift verweigern muss.“

Leicht zu »hacken«

Der PANORAMA-Beitrag zeige wie leicht es sei, den angeblich so sicheren Konnektor zu hacken und unbemerkt Patientenakten zu stehlen.“ Die überhastete Initiative des Bundesgesundheitsministeriums zur Einführung der TI treffe dabei auf Praxen, die vorher nicht an die TI angeschlossen waren und damit auch nicht auf diese Technologie vorbereitet waren. Sie trifft weiter auf Praxen, die im Intranet zwar gut vernetzt sind, aber deren Gerätepark als Angriffsziel genutzt werden könnten, wenn sie an die TI angeschlossen werden. Und sie trifft auf teilweise wenig erfahrene, aber zertifizierte IT-Dienstleister, die den Anschluss ohne Skrupel vornehmen auch wenn Sicherheitsbedenken bestehen müssten und sie die Praxisinhaber warnen müssten.

Ärzte haften

Ärzte, die sich anschließen ließen, gelten als Betreiber der TI und müssen dann auch für die Sicherheit haften – eine Sicherheit, die sie als Laien in der IT und auf Grund der bestehenden Architektur gar nicht beurteilen können. Die Datenschutzfolgeabschätzung der Gesamt-TI werde seit über einem Jahr angemahnt und fehlt weiterhin. „Minister Spahn hat sich hier in den Weiten des Internet verheddert“ befürchtet Enger. Es bestehe die große Gefahr, „dass Spahn in dieses Datenloch auch noch die Patienten und die Praxen mit rein reißt. Deshalb appellieren wir an den Minister, endlich den Stecker der TI zu ziehen und für einen sorgfältigen Neustart in eine sichere digitale Zukunft für die Patienten zu sorgen.“

 

Bericht Panorama 3: www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Sensible-Patientendaten-in-Gefahr,patientendaten110.html

 

Bericht Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/politik/patientendaten-hacker-sicherheit-1.4678689

Dr. Ilka M. Enger
Dr. Ilka M. Enger