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GROKO: Mit Bevormundung zurück in die 60er?

Direkter Facharztkontakt wird „eingespart“ / BFAV fordert mehr Respekt vor dem Patientenwillen

Die Arbeitsgruppe zu Gesundheit und Pflege der bevorstehenden Großen Koalition aus Union und SPD plant ein verpflichtendes Primärarztsystem einzuführen. Damit soll sich künftig jeder Patient bei seinem Hausarzt einschreiben, um dort vor jedem Besuch seines Facharztes erst um eine Überweisung bitten zu müssen. Diese Pläne führen das deutsche Gesundheitswesen nach Meinung des BFAV in eine teure Sackgasse und gefährden die Patientenversorgung.

„Mit diesem Verfahren sind wir beim Überweisungsheftchen der 60 er Jahre angelangt, mit dem Unterschied, dass es damals noch ausreichend Hausärzte gab und die Patienten deutlich weniger aufgeklärt und gesundheitsorientiert waren wie heute“ kritisiert Dr. Wolfgang Bärtl, Orthopäde aus Neumarkt und Vorsitzender des Bayerischen Facharztverbandes, „diese Bevormundung und Einschränkung des direkten und freien Zuganges der Patienten zum Facharzt ihrer Wahl. “Mit dem zwingenden Umweg über den Hausarzt bei jeder Verletzung oder offensichtlich fachärztlich zu behandelnder Erkrankung werde „ein unzumutbarer, unnötiger und teurer Flaschenhals geschaffen, der weder dem mehrheitlichen Willen der Patienten noch dem Hilfsangebot der vor Ort niedergelassenen Fachärzte entspricht“ so erinnert Bärtl die Politik.

Überforderte Hausärzte

„Heute schon gibt es zu wenige Hausärzte und diese sind nach eigener Auskunft stark überlastet. Wo die für dieses Primärarztsystem notwendigen zusätzlichen Hausärzte herkommen sollen, kann uns keiner sagen“ warnt Dr. Klaus Holler, HNO-Arzt aus Neutraubling und Sprecher des BFAV „vor einer zusätzlichen Bürokratisierung und deutlichen Verschlechterung der Versorgung.“
Der angekündigte innerfachärztliche Finanzausgleich eines ohnehin schon zu niedrigen und budgetierten Honorars zwischen sogenannten unter- und übersorgten Gebieten sei „ein absolutes No Go, da hier die Mitversorgungseffekte von Zentren überhaupt nicht berücksichtigt werden und dies zu einer drastischen Verschlechterung der mitversorgten Regionen führt. Außerdem ist ein solches Vorgehen nach dem Gleichheitsgrundsatz nicht akzeptabel“ so hofft Holler noch auf ein Umdenken in der GroKo. Der BFAV ruft die Politik auf, diesen Weg in die Zweiklassenmedizin zu stoppen, den Patientenwillen zu respektieren und vielmehr über Wahltarife den Patienten selbstbestimmt Optionen zu bieten, ob und wie sie sich versichern wollen.