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Der Nepp mit der APP – schnellerer Termin per Handy oder doch nur Augenwischerei?

Derzeit gilt die Digitalisierung in der Medizin als das Allheilmittel für alle „Wehwehchen“ des deutschen Gesundheitswesens. So soll nun auch eine APP den schnellen Zugang zu einem Facharzt richten können. Der Bundesverband niedergelassener Fachärzte (BVNF) sieht das eher kritisch.

Nachdem der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn der Bevölkerung mit seinem Terminservice- und Versorgungsgesetz den schnellen Zugang zu Facharztterminen garantieren will, kommt ihm nun der Vorsitzende der kassenärztlichen Bundesvereinigung in vorauseilendem Gehorsam mit der Idee einer Termin-APP zur Hilfe. Mit ein paar „Clicks“ soll man sich nun den Termin beim gewünschten Facharzt wie eine Pizza online buchen können. Der Vorsitzende des BVNF dämpft diese überzogenen Erwartungen.

„Wir leben in den Zeiten eines Ärztemangels“, erklärt Wolfgang Bärtl. „Und dieser trifft inzwischen nicht nur Hausärzte, sondern vor allem auch die Fachärzte, die in der Grundversorgung der Patienten an vorderster Front stehen. Wenn es da keine schnellen Termine gibt, so liegt das einfach daran, dass sich diese fachärztlichen Kollegen zwischen akut erkrankten Patienten mit dringendem Behandlungsbedarf und der Betreuung von chronischen Patienten aufreiben. Das wird auch kein gesetzlich verordneter Zwang und schon gar nicht eine APP richten“.

Gerade im ländlichen Raum oder in sozialen Brennpunkten in den Großstädten arbeiten Fachärzte wie Gynäkologen, Orthopäden, HNO-Ärzte, Augenärzte aber auch Neurologen und Internisten am Limit und inzwischen auch am Fließband. Diese Arbeitsweise schadet auch den Patienten, die einer Zuwendungsmedizin bedürfen und diese zunehmend in Medizinfabriken vermissen würden.

„Es ist gefährlich, den Patienten weiterhin vorzugaukeln, dass man nur ein paar Tasten am Handy drücken müsse und schon öffne sich die Praxistür des gewünschten Arztes“, sagt Ilka M. Enger, stellv. Vorsitzende des BVNF. „Wir erleben heute schon, dass sich die Enttäuschung des Patienten in unseren Praxen zumindest in verbale Gewalt verwandelt. Und die Politik heizt mit der Polemik, die gegen Ärzte geschürt wird, das Anspruchsdenken der Patienten noch weiter an. Unter diesen Bedingungen ist eine sorgfältige Diagnostik und Therapie nicht mehr möglich. Was bleibt ist eine für beiden Seiten unbefriedigende oberflächliche Handschlagmedizin.“

Statt sorgfältiger Untersuchung, Beratung und Behandlung würden die Patienten mit „Instant-Medizin“ abgespeist, die keine Probleme löst. Das führe auch zu einer wachsenden Unzufriedenheit und die zu Ärztehopping und dem beobachteten Trend, sich an Wochenenden in der Notaufnahme der Klinik vorzustellen. Auch das sei keine adäquate Lösung von Gesundheitsproblemen, weil auch hier die nötigen personellen und technischen Ressourcen fehlen, um eine rationale und damit kosteneffiziente Medizin anzubieten.

„Lieber sollte doch eine stringente Diagnostik und Behandlung angemessen bezahlt werden, statt dasselbe Geld in unsinnigen Mehrfachuntersuchungen in Klinik und Praxen zu verbrennen“, erklärt Wolfgang Bärtl. „Das würde vermutlich auch ärztliche Arbeitszeit einsparen. Wir fordern also den KV-Vorsitzenden Gassen auf, nicht in irgendwelche technischen Gimmicks wie diese APP Zeit und Geld zu investieren – das ist ungeordneter Aktionismus. Besser wäre es, in den Verhandlungen endlich für eine adäquate, unbudgetierte Vergütung unserer ärztlichen Arbeit einzutreten und damit die Arbeitsmotivation der Ärzte zu stärken.“

Der Politik empfiehlt der BVNF, aus einem freien Arztberuf nicht einen scheinselbständigen Handlanger des Staates zu machen, der per Tastendruck am Handy angefordert wird. „Medizin ist kein Lieferservice und Patienten sind keine Laufkundschaft. Das Arzt-Patientenverhältnis ist nicht auf eine APP zu reduzieren. Damit stirbt die Zuwendung in einer persönlichen, individuellen Medizin.“

Dr. Ilka M. Enger, Vorsitzende des BVNF, Internistin
Dr. Ilka M. Enger, Vorsitzende des BVNF, Internistin