Zum Hauptinhalt springen

Der BFAV im Gespräch:

Mit Dr. Stephan Pilsinger, MdB – über die Zukunft der fachärztlichen Versorgung

Dr. Stephan Pilsinger hatte als Mitglied des Deutschen Bundestages, als gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag und als niedergelassener Arzt Vertreter des bayerischen Facharztverbandes zu einem Austausch über die Zukunft der fachärztlichen Versorgung und über neue Versorgungsmodelle nach Berlin in sein Abgeordnetenbüro geladen. Dr. Wolfgang Bärtl, Vorstand des BFAV, und Dr. Klaus Stefan Holler, Sprecher des BFAV, sind der Einladung gerne gefolgt und konnten sich mit Dr. Pilsinger am 11.10.24 austauschen:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, lieber Herr Kollege, herzlichen Dank für Ihre Einladung zu Ihnen nach Berlin!

Für viele Fachärzte ist die Budgetierung inzwischen ein existentielles Thema und substantielles Problem mit Auswirkung auf Praxisnachfolge. Hat die Entbudgetierung der Fachärzte bei der CSU eine Perspektive?

Nur mit einem entbudgetierten, suffizienten Honorar werden wir wieder Ärzte zur Niederlassung oder zur Praxisübernahme im ländlichen Raum bewegen und gewinnen können. Ärztliche Versorgung, gerade in den Regionen, braucht verlässliche Rahmenbedingungen und eine anständige, sichere Honorierung. In überversorgten Ballungsräumen sehe ich Entbudgetierung nicht als vorrangiges Problem, sehr wohl aber in regel-oder unterversorgten Gebieten abseits überversorgter Zentren. Defizitäre Eigeneinrichtungen der kassenärztlichen Vereinigung sind sicher keine tragfähige Lösung für eine verlässliche fachärztliche Versorgung unserer Bevölkerung. Differenziert werden sollte in meinen Augen auch zwischen selbständigen, niedergelassenen Fachärzten, die Verantwortung und Investition in eigener Person schultern und investorengeführten oder kommunalen MVZ.

Stichwort Freiberuflichkeit. In unseren Augen ist der niedergelassene, freiberuflich tätige Facharzt der Garant für eine gute, persönliche und effiziente Versorgung unserer Patienten. Die Ampel mit Bundesgesundheitsminister Lauterbach positioniert sich klar dagegen: Fachärzte sollen weg aus der Praxis und als Angestellte ans Krankenhaus. Wofür stehen Sie?

Für ein klares Bekenntnis zur Freiberuflichkeit! Wer in der eigenen Praxis arbeitet, steht mit vollem Engagement dahinter, versorgt viele Patienten und kennt deren Nöte gut. Ich kenne die Situation genau, da ich neben meinem Bundestagsmandat in Teilzeit in meiner Praxis arbeite. Auch die Kollegen in den Krankenhäusern machen ihre Sache mit Herzblut – aber hier handelt es sich um völlig unterschiedliche Aufgaben. Wir brauchen die niedergelassenen Kollegen, um ambulante und belegärztliche, wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten. Die Kliniken tragen Verantwortung für stationär behandlungsbedürftige Patienten. Das eine geht ohne das andere nicht. Kommunale MVZ an Krankenhäusern sind meines Erachtens keine gute Lösung für ambulante Versorgungsbedarfe, sondern sollten die niedergelassene Versorgung nur ergänzen, wo notwendig.

Patientensteuerung und direkter Facharztzugang. Wie ist Ihre Sicht?

Ohne Steuerung wird es künftig nicht gehen. Betrachten Sie z.B. die ungesteuerte Inanspruchnahme der Notaufnahmen. Jeder dritte Patient in Deutschlands Rettungsstellen ist gar kein Notfall. In vielen Fällen bedürfen diese Patienten keiner aufwändigen Krankenhausversorgung oder weitgehenden apparativen Diagnostik. Ich plädiere für eine obligate, valide außerklinische Ersteinschätzung und Beratung vor Notdienst- oder Krankenhausinanspruchnahme und bin - auch aus meiner eigenen Erfahrung in der Inneren Medizin am Krankenhaus - der Überzeugung, dass dies zu einer spürbaren Entlastung führen kann, ohne die Versorgung zu verschlechtern.

Auch im niedergelassenen Bereich brauchen wir bessere Steuerung. Fast zehn Arztkontakte pro Bundesbürger im Jahr sind deutlich über dem OECD-Durchschnitt und einfach zu viel, ja unnötig. Für viele Patienten wird die Navigation perspektivisch durch den hausärztlichen Kollegen über ein freiwilliges Primärarztmodell erfolgen müssen.. Viele Beschwerden und Erkrankungen sind erst einmal hausärztlich behandelbar. Natürlich sehen wir, dass auch Fachärzte in Regionen mit Hausarztmangel und insbesondere bei Patienten mit relevanten, führenden Erkrankungen in ihrem jeweiligen Fachgebiet diese Funktion mitausüben. Für diese Patienten kann das ggf. der effizientere Weg sein.

Mein Vorschlag ist, Steuerung auch über die Krankenversicherung zu differenzieren. Wer sich primärärztlich steuern lässt, zahlt einen geringeren Beitrag; wer volle Arztwahl will, muss einen Aufschlag akzeptieren. Ich spreche mich also für eine Bonifizierung der hausarztzentrierten Versorgung aus. Auch hier brauchen wir mehr Verbindlichkeit der Regeln.

Innovativen Versicherungsmodellen zum direkten Facharztzugang mit innovationsbereiten Krankenkassen, wie sie der bayerische Facharztverband perspektivisch plant, stehen wir als CSU prinzipiell unvoreingenommen gegenüber.

Der aktuell vorgelegte GOÄneu-Entwurf der Bundesärztekammer stößt auf breite Ablehnung bei fast allen fachärztlichen Verbänden. Kritisiert wird, dass dieser Entwurf zentralen Punkten einer freiberuflichen Gebührenordnung widerspricht. Die bewährte, differenzierte Abbildung des individuellen Behandlungsbedarfs mit Steigerungsfaktor fehlt, Volumenneutralität und vorab festgelegte Preiskorridore führen zu einem de facto Budget und Abgleichung der GOÄ an den EBM, die Bepreisung ist gerade für Fachärzte desolat. Was kann die Politik zur Problemlösung beitragen?

Hier muss ich Ihnen klar und deutlich sagen, dass dies keine Aufgabe der Politik, sondern der Ärzteschaft ist. Parteipolitische Eingriffe sind hier weder vorgesehen noch zielführend und würden einen Präzedenzfall auslösen, der nicht im Interesse aller Beteiligten liegen kann. Die Ärzteschaft ist jetzt gefordert, in Eigenverantwortung eine tragfähige Lösung zu finden. Die GOÄ-Novelle ist jetzt die Chance für die Ärzteschaft, zu beweisen, dass Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung funktionieren und den besseren Weg darstellen als staatliche Gängelung.

Die Ampelregierung plant eine Veränderung und Liberalisierung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch mit Erweiterung der Frist über die 12. Schwangerschaftswoche hinaus. Viele Kolleginnen und Kollegen des BFAV sehen dies mit großer Sorge und lehnen dies aus medizinisch-ethischen Gründen ab. Wofür steht die CSU?

Eine Änderung mit Fristen oder Indikationsausweitung ist aus gesundheitspolitischer Sicht der CSU weder nötig noch angemessen. Die jetzige Regelung stellt einen lange erkämpften, gesellschaftlich breit akzeptierten Kompromiss dar, den wir jetzt nicht ohne Not zerschlagen sollten.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wir danken Ihnen für das Gespräch und hoffen, mit Ihnen künftig weiterhin in einem guten gesundheitspolitischen Austausch zu bleiben!

Autor

Dr. med. Klaus Holler
 E-Mail

Dr. Klaus Holler, HNO-Arzt, Sprecher BFAV