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Alle Widersprüche gegen die Honorarkürzung bei Nichtanschluss an die Telematikinfrastruktur ruhen nach Erstantrag!

Nach einer Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) werden alle Widersprüche gegen die Honorarkürzung bei Nichtanschluss an die Telematikinfrastruktur ruhend gestellt, wenn dies beim ersten Widerspruch beantragt wird. Alle weiteren Widersprüche werden so lange zum Ruhen gebracht, bis die Gerichtsverfahren letztinstanzlich beendet sind. Besonders bedeutsam scheint mir im Schreiben der KVB das Wort „letztinstanzlich“ zu sein; bedeutet es doch, dass auch bei einer erstinstanzlichen Klageabweisung nicht automatisch alle Widersprüche in diesem Sinne beschieden werden. Dieses Schreiben liegt dem Bayerischen Facharztverband vor.

Der Bayerische Facharztverband behält sich vor - wie bereits mehrfach mitgeteilt - die Klage gegen den zwangsweisen Honorarabzug bei Nichtanschluss an die Telematikinfrastruktur durch alle Instanzen durchzufechten.
Voraussetzung für zukünftige Ansprüche auf Rückzahlung der einbehaltenen Honorare ist allerdings, dass Sie im Falle eines Honorarabzug weiterhin in jedem Quartal einen Widerspruch gegen diesen Honorarabzug wegen Nichtanschluss an die Telematik-infrastruktur bei der KVB einlegen. Diese Widersprüche werden dann ohne erneute Bestätigung ebenfalls ruhend gestellt.
Dies ist für alle, die bisher auf einer Widerspruchsentscheidung durch die KVB bestanden haben, um beim Sozialgericht Klage dagegen einzureichen, eine deutliche Erleichterung; spart es doch erhebliche Widerspruchs,- Verfahrens-, und Rechtsanwaltskosten.

Elektroschrott

Die Telematikinfrastruktur ist nun um einen weiteren Skandal reicher. War die TI bisher in den Augen vieler ein Problem für den Datenschutz, die Berufsfreiheit, für die ärztliche Schweigepflicht, aber auch eine finanzielle Belastung für die an die Telematikinfrastruktur angeschlossenen Praxen, so ist nun ein neuer Aspekt hinzugekommen: Verschwendung von Kassen- und/oder Steuergeldern und eine massive Umweltbelastung.
Nach dem heutigen Kenntnisstand werden in den kommenden 2 Jahren 128.000 Konnektoren ausgetauscht werden müssen, weil deren Sicherheitszertifikate auslaufen.
Konkret sind es die im Konnektor fest verbauten gSMC-K-Karten, deren Zertifikate in den nächsten Monaten auslaufen werden. Laut Heise online „…können aus Sicherheitsgründen die Praxen und ihre IT-Dienstleister die gSMC-K-Karten nicht selbst wechseln. Die Geräte müssen über eine gesicherte Lieferkette ausgetauscht werden. Bei sehr alten Geräten muss der Hersteller die Hardware wechseln. Bei neueren Modellen genügt ein Tausch der internen gSMC-K-Karten, bevor die frisch versiegelten Geräte an die nächste Praxis weitergehen…“

Die Kosten für diesen Konnektorentausch werden bei einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag in Euro liegen.
Und was ist der Gegenwert für dieses Millionengrab? Ein wenig Verwaltungsvereinfachung für die gesetzlichen Krankenkassen in Form eines Versichertenstammdatenmanagements - für Patienten und Ärzte fehlen dagegen bis heute die Vorteile. In einem Leserbrief im Deutschen Ärzteblatt (Dr.J.Ullrich) zieht der Verfasser eine Parallele zum Maut-Desaster,     „… was einen weitaus größeren medialen Aufschrei verursacht hatte - zeitnahe politische oder gar personelle Konsequenzen hier wie dort leider Fehlanzeige…Obschon Elektronik- bauteile aktuell knapp sind und jeglicher Elektroschrott ohnehin ein massives Umweltproblem darstellt, soll der Konnektorenersatz durchgezogen werden - ungeachtet dessen, dass man eigentlich ja bereits an der TI 2.0 auf Softwarebasis ganz ohne Konnektoren arbeitet.

Quick and Dirty

In den letzten Monaten hat der Einsatz der neuen Chipkarte eGK Version 2.1 bei bestimmten Kartenterminals zu einem Absturz des gesamten Systems geführt. Diese neue Kartengeneration soll in Zukunft ein kontaktloses Auslesen der Versichertenkarte ermöglichen. Eine Lösung dieses Absturzproblems war ein Neustart des Kartenterminal oder des Gesamtsystems samt Konnektor - und das mehrfach innerhalb der laufenden Sprechstunde! Ursache für diesen Fehler ist die Konfigurierung der Platine des Kartenterminals. Diesen Konstruktionsfehler kann man durch kein update „heilen“. Die Gematik, die für die Zertifizierung des Terminals und der Karte verantwortlich zeichnet, weist jegliche Verantwortung von sich. Zur Behebung der Hightech-Panne wurden „Kabelbinder und Panzerband“ empfohlen.
Ein im Wirtschaftsbetrieb üblicher Weg wäre, dass zur Behebung des Fehlers das fehlerhafte Terminal gegen ein funktionsfähiges Kartenterminal einer anderen Firma ausgetauscht wird und die Kosten hierfür übernimmt die verantwortliche Firma des fehlerhaften Terminals. Aber weit gefehlt! Die Problemlösung soll ein Aufsatz auf den Kartenschlitz des Kartenterminal sein, der die eGK beim Einstecken von statischen Aufladungen befreien soll. Ob das zu einer Neu-Zertifizierung des gesamten Kartenterminals durch die Gematik führen muss, ist noch unklar.
Diese Kartenschlitz-Aufsätze erinnern aber doch an Methoden der Geldautomaten-Betrüger aus der Vergangenheit, die ähnliche Aufsätze (mit Funkkamera) zum Ausspähen der pins von Geldkarten nutzten.

Was tut jetzt not?

Hierzu zitiere ich wieder Kollegen Ullrich:
„Eine rasche und mutige Beendigung jeglicher Versuche, eine totale digitale Vernetzung aller Akteure und Patienten im Gesundheitswesen herbeizuzwingen, weder über eine konnektor- basierte TI noch über die sogenannte TI 2.0.
Folgerichtig Auflösung der Gematik, die sich den wirklichen Aufgabenstellungen bisher nicht gewachsen gezeigt hat und der Kontrolle des Mehrheitseigners Bundesgesundheits-ministeriums auch entglitten zu sein scheint. Kein Ersatz kostengünstiger, funktionaler und bewährter Prozesse (Rezept, AU etc.) durch teure und störanfälligere digitale Verfahren. Stattdessen muss Digitalisierung im Gesundheitswesen endlich neu gedacht werden:
Digitale Lösungen im Gesundheitswesen nur auf freiwilliger Basis, mit erkennbarem direktem Nutzen für die Anwender selbst und unter strenger Wahrung von Datenschutz und ärztlicher Schweigepflicht. Jegliche Digitalisierung grundlegender Abläufe im Gesundheitswesen ist ohnehin auf ihre Robustheit bzgl. ihres Funktionierens und ihrer problemlosen analogen Ersatzmöglichkeit bei Störungen von Stromversorgung und Internetverbindung zu prüfen.
Geopolitisch verursachte Energieknappheit sowie das Nachhaltigkeitsgebot angesichts des Klimawandels verlangen einen gezielten Ressourceneinsatz und somit auch den Rückbau digitalisierter Prozesse als erhebliche Energiefresser überall dort, wo sie keinen zweifelsfreien Mehrwert gegenüber den entsprechenden analogen Prozessen aufweisen…“

Gernot Petzold
Vorstand BFAV

 

 

 

 

 

Dr. Gernot Petzold